Offen, leer, nackt und bloß


Ich beginne die Jahre zu spüren

Suche Wege, die zu etwas führen

Was ich in Händen halte, lasse ich los

Lieber offen, leer, nackt und bloß

Fäuste werden nie groß

Offen, leer, nackt und bloß

Offen, leer, nackt und bloß


Erste Frühlingsdüfte locken

Alle Kinder samt Rädern raus

Die Stützräder endlich abgeschraubt

Es geht auch ohne, komm probier’s aus


Die Hand noch einmal am Sattel

Für das gute sichere Gefühl

Ganz klammheimlich losgelassen

Das uralte Elternspiel


Aus der Ahnung wird Gewissheit

Da ist niemand mehr, der hält

Der ängstliche Blick geht nach hinten

Schnell den Fuß auf den Boden gestellt


Das ist gemein, du wolltest doch helfen

Jetzt wär ich fast hingefallen 

Deinetwegen musste ich bremsen

Um nicht auf die Straße zu knallen


Nach dem Schreck und dem Gemecker

Kurzem Trost und einem Eis

Geht es jetzt fast ganz von allein

In Schlangenlinien und im Kreis 


Es kostet Überwindung

Geht über in Fleisch und Blut

Kein Mensch kann es verlernen

Später fehlt vielleicht mal der Mut


14.4.2018

Capo II

Foto (C) Michael Ostendorf